Bericht für das 1. Quartal 2023

In der Erwartung, dass der Inflations- und auch der Zinsanstieg im weiteren Jahresverlauf beendet und sogar umgekehrt werden könnten, begann das Jahr mit Kursgewinnen an den Aktien- und Anleihe-märkten. Im Februar wurden diese Hoffnungen kleiner und im März wurde eine neue Bankenkrise zum beherrschenden Thema an den Kapitalmärkten.

Konjunktur, Inflation und Leitzinsen

Die Kapitalmärkte beschäftigten sich in den ersten Wochen des neuen Jahres vor allem mit solchen Fragen, wie sich Konjunktur, Inflation und Zinsen weiterentwickeln. Seit Sommer des vergangenen Jahres hatte die Sorge um sich gegriffen, die Weltwirtschaft stehe vor einem starken Abschwung und viele Volkswirtschaften somit vor einer Rezession, also einer Phase von mindestens einem halben Jahr mit rückläufiger Wirtschaftsleistung. Nicht zuletzt die schnellen und weitreichenden Leitzinserhöhungen durch die Notenbanken befeuerten diese Befürchtungen.

Allerdings wurden Ängste, der Konjunkturabschwung führe in eine schwere Rezession, kleiner. Vor allem aus den USA und Japan kamen in den ersten Wochen des Jahres Signale für eine robuste Entwicklung. Und für China sollten aus dem plötzlichen Ende der strengen Lockdown-Politik positive Impulse erwachsen. In Europa zeichnete sich unterdessen ab, dass eine schwerere Energiekrise trotz des Gaslieferstopps aus Russland verhindert werden konnte. Die milde Witterung und Sparmaßnahmen ließen den Energieverbrauch zurückgehen.

Die mit Spannung erwarteten US-Inflationszahlen für Dezember entsprachen den vorherrschenden Erwartungen und lieferten deshalb kaum neue Impulse. Im Dezember lagen die Verbraucherpreise in den USA 6,5 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die Kerninflationsrate fiel ebenfalls wie erwartet von 6,0 auf 5,7 Prozent. Erst in der dritten Woche des Jahres sorgten Daten zur Industrieproduktion und den Einzelhandelsumsätzen für Ernüchterung, zeigten sie doch eine Abschwächung der US-Konjunktur. Trotzdem erhöhte die US-Notenbank Federal Reserve, kurz Fed, die Spanne für ihren wichtigsten Leitzins, die Federal Funds Rate, Anfang Februar um 0,25 Prozentpunkte auf 4,50 bis 4,75 Prozent. Dies war die achte US-Leitzinserhöhung seit März vergangenen Jahres, allerdings nicht die letzte. Auch die EZB-Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte und die Ankündigung weiterer Zinsschritte entsprachen den Erwartungen. Erst als die im Februar veröffent-lichten US-Arbeitsmarktdaten gut ausfielen, führte das zu Kursverlusten an den Börsen, weil der starke Beschäftigungsanstieg für eine anhaltend hohe Inflation und damit weitere Zinserhöhungen sprach. Auch der in der ersten Monatshälfte steigende Ölpreis bestärkte Inflations- und Zins- sorgen, zumal die US-Inflation für den Januar mit 6,4 Prozent bekannt gegeben wurde. Mehrheitlich war ein stärkerer Rückgang der Teuerung erwartet worden. Wichtige Vertreter der Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks machten deutlich, dass sie an ihrem Zinserhöhungskurs festhalten. Daraufhin gab es sowohl an den Anleihe- als auch an den Aktienmärkten Gewinnmitnahmen.

Im März wurde eine neue Bankenkrise zum beherr-schenden Thema an den Kapitalmärkten. Trotzdem verzichteten weder die Fed noch die EZB auf weitere Leitzinserhöhungen. Das Ziel der Inflations-bekämpfung werde nicht aufgegeben. Es wurde beteuert, das Bankensystem sei stabil und die Versorgung der Kreditinstitute mit Liquidität durch zusätzliche Maßnahmen gesichert. Die EZB erhöhte ihre Leitzinsen Mitte März um je 50 Basispunkte. Der Hauptrefinanzierungssatz stieg damit auf 3,5 Prozent. Er gilt als wichtigster Euro-Leitzins.

Zum Hauptrefinanzierungssatz können Geschäfts-banken den größeren Teil ihres Liquiditätsbedarfs bei der Zentralbank refinanzieren.

Der Spitzenrefinanzierungssatz stieg auf 3,75 Prozent und blieb damit, wie seit 2014 üblich, einen Viertelprozentpunkt höher. Der Einlagenzinssatz der EZB, mit dem sie Guthaben der Geschäftsbanken verzinst, wurde von 2,5 auf 3,0 Prozent angehoben. Wenige Tage später hob die Fed ihren Leitzins auf 4,75 bis 5,00 Prozent an. Und auch andere Noten-banken erhöhten ihre Leitzinsen zur Inflations-bekämpfung weiter, so die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf 1,5 Prozent und die Bank of England auf 4,25 Prozent.

Beiderseits des Atlantiks gibt es keine historischen Vorbilder für einen so raschen und starken Anstieg der Zinsen, zumal das Ausgangsniveau ungewöhn-lich niedrig war. Die schnelle Abfolge größerer Zinserhöhungen stellt die Märkte vor eine bislang unbekannte Belastungsprobe.

Renten, Währungen und Rohstoffe

Die Rentenmärkte erlebten einen guten Jahresauftakt. Durch Kursgewinne fiel die Rendite der als Maßstab geltenden US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit von 3,88 Prozent zum Jahreswechsel bis auf 3,37 Prozent Mitte Januar. Der Bund-Future, der die Kursentwicklung deutscher Bundesanleihen widerspiegelt, stieg von 132,8 auf 140,6 Punkte. Im Februar erlebten die Rentenmärkte dann aber eine verlustreiche Gegenbewegung. Die Ankündigungen weiterer Zinserhöhungen ließen die zehnjährige US-Rendite bis Anfang März auf 4,09 Prozent steigen und den Bund-Future bis auf 131,5 Punkte fallen.

Mit dem Beginn der Bankenkrise kam es dann bis Mitte März zu einem Rückgang der Marktzinsen. So kehrte die Rendite der zehnjährigen US-Staats-anleihen in die Bandbreite von 3,4 bis 3,6 Prozent zurück. Weil die raschen und in Summe hohen Leitzinserhöhungen als eine Ursache der Banken-krise galten, rechnete der Markt damit, dass die großen Notenbanken nun das Tempo ihrer Leitzins- erhöhungen zumindest verlangsamen würden, um die Stabilität des Finanzsystems nicht zusätzlich zu gefährden. Ende März lag die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen mit 3,49 Prozent 39 Basispunkte niedriger als zum Jahreswechsel. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sank im ersten Quartal um 29 Basispunkte auf 2,28 Prozent. Der Bund-Future verzeichnet für die ersten drei Monate des Jahres per saldo ein Plus von 2,6 Prozent (auf 136,2 Prozent).

Die Devisenmärkte zeigten sich im ersten Quartal ohne dramatische Entwicklungen. Der US-Dollar schwächte sich unter kleineren Schwankungen gegen Euro um 1,3 Prozent auf 1,084 US-Dollar je Euro und gegen japanischen Yen um 1,4 Prozent auf 132,8 Yen je US-Dollar ab. Wie schon im vierten Quartal setzte sich damit die für 2023 erwartete Verlangsamung des US-Zinsanstiegs durch, womit der Zinsvorteil des US-Dollars gegenüber Euro und Yen kleiner werden dürfte.

Bei Kryptowährungen kam es im Januar nach der Veröffentlichung des Inflationsrückgangs zu Kursgewinnen, während die anderen Märkte wenig auf die US-Inflationszahlen für Dezember reagierten. Im März führten die Pleiten der kalifornischen Banken Silvergate und Silicon Valley Bank kurzfristig zu Kursverlusten bei Digitalwährungen. Silvergate stellte für viele Kryptobörsen wichtige Dienste wie Echtzeit-Zahlungen zur Verfügung. Die Silicon Valley Bank finanzierte vor allem Hightech-Start-up-Unternehmen. Der gemeinsame Gegenwert der inzwischen rund 23.000 verschiedenen Digitalwährungen sank kurzzeitig unter eine Billion US-Dollar, erholte sich aber deutlich, als die US-Behörden den vollständigen Schutz der Kundeneinlagen bei den beiden Banken erklärten. Zudem half auch hier die Hoffnung auf eine weniger restriktive US-Geldpolitik. Letztendlich dürfte die Bankenkrise zur starken Kurserholung der Kryptowährungen maßgeblich beigetragen haben, weil diese sich originär als Alternative zum Finanzsystem der von Notenbanken gesteuerten Papierwährungen verstehen. Der Bitcoin-Wechsel-kurs stieg im ersten Quartal um 70 Prozent auf rund 28.100 US-Dollar.

An den Rohstoffmärkten blieb es vergleichsweise ruhig. Nachdem die Konjunktursorgen das Preisniveau im Sommer 2022 belastet hatten, veränderten sich die meisten Rohstoffpreise im ersten Quartal relativ wenig. Der Bloomberg Commodity Index fiel um 6,5 Prozent – vor allem wegen des Rückgangs beim Ölpreis. Ein Barrel der europäischen Ölsorte Brent kostete am Quartalsende mit knapp 80 US-Dollar 7,3 Prozent weniger als drei Monate zuvor. Der Kupferpreis setzte seine Erholung unter Schwankungen fort und kletterte im ersten Quartal um knapp 7 Prozent.

Bei den Edelmetallen konnte vor allem Gold von der Bankenkrise profitieren. Nachdem der Preis für eine Unze im Februar bis auf kaum mehr als 1.800 US-Dollar gesunken war, ging es angesichts der Sorgen um das Finanzsystem im März deutlich aufwärts. Für das erste Quartal ergibt sich ein Goldpreisanstieg um 8,0 Prozent auf 1.969 US-Dollar pro Unze. Der Aufwärtstrend dürfte somit schon im April die Rekordhochs aus den Jahren 2020 und 2022 bei 2.070 bzw. 2.075 US-Dollar testen.

Für einen in Euro rechnenden Anleger fiel der Goldpreisanstieg wegen des schwächeren Dollars mit plus 6,6 Prozent auf 1.816 Euro pro Unze kleiner aus. Die anderen Edelmetalle konnten dagegen nicht von der Krise profitieren. Der Silberpreis veränderte sich auf Dollar-Basis kaum (auf 24,07 US-Dollar pro Unze) und sacke in Euro leicht ab. Platin verlor 6,6 Prozent auf 997,50 US-Dollar pro Unze und bei Palladium setzte sich der bereits im vierten Quartal beobachtete Rückzug der Investoren mit minus 18,1 Prozent auf 1.467 US-Dollar pro Unze fort.

Aktienmärkte

Die Aktienmärkte erlebten einen guten Jahresauftakt, konnten dann aber nur teilweise an die Gewinne aus den beiden Auftaktwochen des Jahres anknüpfen. So kam es im ersten Quartal zu einer Umkehr von Trends, die das Vorjahr geprägt hatten. Während Öl-Aktien unter dem fallenden Ölpreis litten (MSCI World Energie minus 3,3 Prozent), erholten sich Technologieaktien in der Hoffnung auf ein Ende der rigiden Geldpolitik der Notenbanken (MSCI World Technologie plus 20,4 Prozent). Auch der von großen US-Technologiekonzernen wie Alphabet (Google) und Meta (Facebook) geprägte Index für Tele-kommunikationsdienstleister erholte sich im ersten Quartal überdurchschnittlich (nämlich um 17,2 Prozent).

Während die Verlautbarungen einiger großer US-Tech-Konzerne, darunter Apple und Amazon, verhalten aufgenommen wurden, weil das hohe Umsatz- und Gewinnwachstum der ver-gangenen Jahre nicht gehalten werden kann, überraschte Meta Anfang Februar positiv.

Im März beendete die Bankenkrise in den USA die Existenz mehrerer kleinerer Banken und in Europa einer der beiden schweizerischen Großbanken. Die Credit Suisse wird mittels einer Übernahme durch ihre Konkurrentin UBS gerettet. Aus Sorge vor einer Ausbreitung der Bankenkrise zogen sich Anleger auch aus anderen Bankaktien zurück, was dem MSCI World-Index für Finanztitel einen Rückgang von 1,7 Prozent im ersten Quartal bescherte, während der Gesamtindex ein Plus von 7,2 Prozent schaffte.

Weil die Bankenkrise die Kreditbedingungen weiter verschärfen dürfte, wird von ihr eine dämpfende Wirkung auf die Konjunktur erwartet. Deshalb gaben Aktien aus konjunkturempfindlichen Sektoren bis zum Quartalsende einen Teil ihrer Kursgewinne wieder ab, beispielsweise Aktien aus der Rohstoffbranche. Beim MSCI Weltaktienindex für die Branche Grundstoffe verblieb ein Plus von 5,0 Prozent.

Der Dow Jones Industrial Average rutschte im März auf den tiefsten Stand seit Oktober und beendete das Quartal nur dank einer Kurserholung in der letzten Märzwoche lediglich 0,4 Prozent höher als zu seinem Stand am Jahreswechsel. Von der Hoffnung auf ein Ende der Leitzinserhöhungen getragen legte der Nasdaq-100-Index im Verlauf der drei Monate 20,5 Prozent zu und beendete das erste Quartal mit einem neuen Jahreshoch bei 13.181 Zählern – immerhin dem höchsten Wert seit August des Vorjahres. Die Masse der kleineren US-Aktien vermochte dem kaum zu folgen. Der S&P-500-Index kommt für das erste Quartal auf ein Plus von 7,0 Prozent, der Neben-werte-Index Russell-2000 nur auf plus 2,3 Prozent. Und der Nasdaq Biotech Index verzeichnet sogar einen Quartalsrückgang um 2,1 Prozent.

In der Breite erholten sich die europäischen Aktienmärkte noch stärker als US-Aktien. Der Euro-STOXX-50 fiel allerdings unter dem Eindruck der Bankenkrise zeitweilig auf die Marke von 4.000 Punkten zurück, nachdem Anfang März noch ein neues Jahreshoch bei 4.324 Zählern erreicht worden war. Nur knapp darunter, bei 4.315 Punkten, beendete der Eurozonen-Leitindex das erste Quartal mit einem Plus von 13,7 Prozent.

Ähnlich gut entwickelten sich der französische CAC-40 (plus 13,1 Prozent) und der deutsche DAX (plus 12,2 Prozent). Mit den Euro-Aktienmärkten nicht mithalten konnten die Aktienmärkte Großbritanniens und der Schweiz, wo die Leitindizes FTSE-100 bzw. SMI das Quartal nur mit Zuwächsen von 2,4 bzw. 3,5 Prozent beenden konnten. In beiden Fällen belastete die Bankenkrise den Markt schwer. Im Endergebnis blieb somit der paneuropäische STOXX-50-Index mit einem Plus von lediglich 7,9 Prozent auf 3.941 Zähler wieder hinter dem Euro-STOXX-50 zurück.

An den asiatischen Aktienmärkten blieb die Entwicklung noch uneinheitlicher. Die Börse Tokio schüttelte das überraschende Zinssignal der japanischen Notenbank aus dem vorausgegangenen Quartal ab. Der Nikkei-225-Index gewann im ersten Quartal 7,5 Prozent auf 28.042 Punkte und der repräsentativere Topix-Index legte um 5,9 Prozent zu.

Die chinesischen Aktienmärkte profitierten von der belebten Wirtschaft nach dem Ende der Lockdown-Politik. Nach den entsprechend begründeten Kursgewinnen, vor allem im vergangenen November, ging es im ersten Quartal langsamer voran. Der Hang Seng Index stieg im ersten Quartal um 3,0 Prozent und der Hang Seng China Enterprise (HSCE) um 3,8 Prozent. Der MSCI China weist für das erste Quartal ein Plus von 5,1 Prozent aus. Höhere Kursgewinne waren dank der Erholung der Hochtechnologie-Aktien an den Börsen Seoul (Südkorea) und Taipeh (Taiwan) zu verzeichnen. Der südkoreanische KOSPI stieg im Berichtszeitraum um 10,8 Prozent und der Taiwan Weighted Index um 12,1 Prozent.

Am in den Vorjahren weit gestiegenen indischen Aktienmarkt gab es dagegen Kursrückgänge. Der BSE Sensex der Börse in Mumbai verlor im ersten Quartal per saldo 3,0 Prozent.

Sehr differenziert fiel auch die Kursentwicklung an den Aktienmärkten Lateinamerikas aus. Die brasilianische Börse in Sao Paulo blieb das zweite Quartal in Folge deutlich hinter dem mexikanischen Aktienmarkt zurück. Der brasilianische Bovespa-Index beendete das erste Quartal mit einem Rückgang um 7,2 Prozent (MSCI Brazil minus 6,9 Prozent), während der mexikanische IPC Index 10,1 Prozent gewann.

Die Aktienkurse der Goldminenbetreiber profitierten weiterhin vom steigenden Goldpreis. Der FT Goldmines Branchenindex verzeichnet im ersten Quartal einen Anstieg um 11,2 Prozent.

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Bericht für das 4. Quartal 2022

Im vierten Quartal blieb die Geldpolitik der Notenban­ken für die Börsen das beherrschende Thema. Zu­nächst prägte die Hoffnung auf eine zukünftige geldpo­litische Entspannung im neuen Jahr 2023 das Markt­geschehen, bis in den letzten Wochen die Sorgen wie­der zunahmen.

Zinsen, Renten, Währungen und Rohstoffe

Angesichts hoher Inflationsraten und der Aussicht auf eine anhaltend restriktive Geldpolitik der Notenbanken waren im September viele Aktienindizes auf die tiefs­ten Werte seit dem vierten Quartal 2020 gefallen. Im Oktober und November lebte die Hoffnung auf ein bal­diges Ende der Zinserhöhungen wieder auf. Diese Er­wartung wurde von schwächeren Konjunkturdaten ge­stützt. Allerdings dämpften gute Daten vom US-Ar­beitsmarkt mit geringer Arbeitslosigkeit und weiter stei­genden Löhnen diese Hoffnung, sodass die Inflations­entwicklung von zentraler Bedeutung bleibt.

Die im Oktober für den Monat September veröffentli­che Jahresrate der US-Inflation ging zwar leicht von 8,3 auf 8,2 Prozent zurück. Weil aber die Börsen einen stärkeren Rückgang erwartet hatten (auf 8,1 Prozent), reagierten sie zunächst mit Kursverlusten, zumal die Kernrate der Inflation mit 6,6 Prozent weiter anstieg. Anders als im September erholten sich die Aktienmärk­te schnell und schließlich überraschte die US-Inflati­onsrate des Monats Oktober positiv: Mit 7,7 Prozent lag der Preisanstieg unter den Erwartungen von 8,0 Prozent. Die Kernrate ohne Energie und Nahrungsmit­tel sank auf 6,3 Prozent. Dies wurde als wahrscheinli­che Trendwende aufgefasst, der Höhepunkt der Inflati­onsentwicklung könne überwunden sein.

Nach der Europäischen Zentralbank (EZB) Ende Okto­ber erhöhten im November die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Bank of England (BoE) ihre Leitzinsen um jeweils 75 Basispunkte. Das veröffent­lichte Sitzungsprotokoll und Äußerungen von Fed-Prä­sident Jerome Powell bestätigte dann die Erwartungen derjenigen, die für 2023 ein verlangsamtes Tempo bei den Zinserhöhungen sehen.

Diese Hoffnung wurde allerdings von starken Daten der Konjunktur, der Preisentwicklung und des Arbeits­marktes gedämpft. So stiegen die Löhne in den USA deutlich, die Arbeitslosigkeit ist gering und die Ausga­benbereitschaft der Privathaushalte verhältnismäßig hoch. Im Dezember gewannen deshalb schließlich die Sorgen überhand, die US-Notenbank könne ihre Leit­zinsen auch 2023 weiter anheben müssen als zu­nächst erwartet worden war. Zwar erhöhten im Dezem­ber die Fed und die europäische Zentralbank ihre Leit­zinsen wie erwartet um jeweils einen halben Prozent­punkt, bestärkten zugleich aber die Sorgen. Denn ihre Inflationserwartungen korrigierten die Notenbanken nach oben. Zudem kündigte die EZB an, ab März ihren Anleihebestand um monatlich 15 Mrd. Euro abzubau­en, was den Märkten entsprechend Kapital entzieht. Überraschend hob zudem die japanische Notenbank, die Bank of Japan (BoJ), den Zielbereich für Anleihe­renditen an. Damit signalisierte sie, auch in Japan die Liquiditätsversorgung zu begrenzen.

An den Rentenmärkten setzte sich der Anstieg der Zinsen fort, was zu weiteren Kursverlusten bei Anlei­hen führte. Die Rendite bei US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit stieg erstmals seit der Finanzkri­se 2008 über vier Prozent und erreichte im Oktober mit 4,33 Prozent den höchsten Stand seit 14 Jahren. Im November sorgte die Hoffnung auf eine Verlangsa­mung von Inflation und restriktiver Geldpolitik für eine Kurserholung. So sank die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bis in die erste Dezemberhälfte auf 3,4 Prozent. Mit den Sorgen wuchs dann auch die Rendite wieder. Mit 3,88 Prozent liegt sie zum Jahreswechsel nur Fünf Hundertstel Prozent über dem Wert von Ende September. Die Rendite von US-Anleihen mit 30 Jah­ren Laufzeit erhöhte sich im dritten Quartal um 20 Ba­sispunkte von 3,78 auf 3,98 Prozent.

In Europa und Deutschland stiegen die Anleiherenditen auf die höchsten Werte seit vielen Jahren. Turbulent ging es vor allem bei britischen Anleihen zu. Die Pläne von Premierministerin Liz Truss, die Steuern massiv zu senken, um Großbritannien nach dem EU-Austritt wirt­schaftlich zu beleben, fielen an den Kapitalmärkten durch. Die Aussicht auf eine massiv steigende Staats­verschuldung Großbritanniens führte zu einem Kurs­sturz britischer Staatsanleihen und zwang die Bank of England zu Stützungskäufen. Truss trat im Oktober nach nur sechswöchiger Amtszeit zurück. Vom neuen britischen Premier Rishi Sunak, einem ehemaligen In­vestmentbanker, erwarten die Märkte bei wirtschaftli­chen Weichenstellungen eine glücklichere Hand.

Abwärts ging es mit den Kursen von kontinentaleuro­päischen Anleihen. So stieg die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen im vierten Quartal um 45 Basispunkte auf 2,56 Prozent. Der Bund-Future, der die Kursent­wicklung von deutschen Staatsanleihen widerspiegelt, erreichte am 7. Dezember zwar ein Zwei-Monats-Hoch bei gut 143 Prozent, stürzte aber bis zum Jahresende auf 132,8 Prozent ab – und damit auf ein neues Zehn-Jahres-Tief.

An den Devisenmärkten kam es im vierten Quartal zu einer Trendwende. Nachdem das Jahr zuvor von einer zunehmenden Aufwertung des US-Dollars gekenn­zeichnet war, verlor die Währung nun im vierten Quar­tal gegen Euro 9,2 Prozent (auf 1,07 US-Dollar pro Eu­ro) und gegen japanischen Yen 9,5 Prozent (auf 131 Yen pro US-Dollar). Damit preisten die Devisenmärkte die für 2023 erwartete Verlangsamung des Zinsan­stiegs in den USA ein, während der Zinsvorteil des US-Dollars gegenüber Euro und Yen kleiner werden dürfte. Gegen den chinesischen Renminbi verlor der US-Dol­lar im vierten Quartal 3,1 Prozent (auf 6,9 Yuan pro Dollar).

Die Kryptomärkte stabilisierten sich zwar zunächst. Im November weiteten sich Liquiditätsprobleme der Kryp­to-Handelsplattform FTX zu einer schweren Vertrau­enskrise aus, nachdem der Konkurrent Binance ange­kündigt hatte, sich von Beständen der FTX-eigenen Kryptowährung FTT (FTX Token) zu trennen. Offenbar waren bei FTX Kundeneinlagen im Volumen von rund 10 Milliarden US-Dollar zweckentfremdet verschoben worden. Der FTT stürzte darauf von rund 22 auf unter einen US-Dollar ab.

Eine Rettung von FTX mittels einer Übernahme durch Binance scheiterte. FTX galt als weltweit drittgrößte Krypto-Börse, Binance ist der globale Marktführer. Der Bitcoin-Kurs fiel zeitweilig knapp unter 16.000 US-Dol­lar und damit auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Einige Krypto-Fonds und Krypto-Verleiher, darunter der weltgrößte Bitcoin-Fonds Graysale Trust und die Kryp­to-Kreditgeber Genesis und BlockFi, gerieten stark un­ter Druck und stellten ebenfalls die Auszahlungen ein. Am Jahresende war ein Bitcoin rund US-16.500 Dollar wert, 15 Prozent weniger als drei Monate zuvor.

An den Rohstoffmärkten ging es vergleichsweise ru­hig zu. Nachdem die Konjunktursorgen das Preisni­veau schon im Sommer belastet hatten, veränderten sich die meisten Rohstoffpreise im vierten Quartal auf US-Dollar-Basis relativ wenig. Der Bloomberg Commo­dity Index stieg um 1,2 Prozent. Öl und Gas wurden in Euro gerechnet billiger. Ein Barrel der europäischen Ölsorte Brent kostete am Jahresende mit 86 US-Dollar nur wenige Cent mehr als drei Monate zuvor. Der Kup­ferpreis in US-Dollar gerechnet erholte sich nach dem Preisrückgang um rund 12 Prozent.

Die Edelmetallpreise, die nicht von den Krisen profitiert hatten, solange die Zinsen deutlich stiegen, erhöhten sich im Schlussquartal deutlich, was vor allem am nun schwächeren US-Dollar lag. Der Goldpreis stieg um 9,8 Prozent auf 1.824 US-Dollar pro Unze. Dies ist für einen in Euro rechnenden Anleger fast nur der Wäh­rungsverlust. In Euro gerechnet verbleibt bei Gold ein Preisanstieg um 0,6 Prozent auf 1.704 Euro pro Unze. Besser schnitt man mit Silber und Platin ab, deren Preise 26 bzw. 23,5 Prozent auf 24 US-Dollar bzw. 1.068 US-Dollar pro Unze stiegen. Es gab offenbar Umschichtungen zulasten des teureren Palladiums, dessen Preis um 17,8 Prozent auf 1.790 US-Dollar pro Unze fiel.

Aktienmärkte

An den Aktienmärkten galt die Aufmerksamkeit neben der Inflations- und Zinsentwicklung zumindest zeitwei­lig den Unternehmensergebnissen. Die ab Oktober veröffentlichten Zahlen des dritten Kalenderquartals konnten in vielen Fällen positiv überraschen, was zur Erholung der Aktienkurse im Oktober und November beitrug. Während das Vertrauen der Anleger in Aktien der „alten Wirtschaft“ (Old Economy) angesichts über­wiegend guter Quartalsergebnisse stieg, zeigten einige Technologie-Aktien Schwächen. Die Ergebnisse und Ausblicke der Google-Mutter Alphabet, Mikrochipher­steller Texas Instruments, Facebook-Betreiber Meta und Online-Einzelhändler Amazon enttäuschten die In­vestoren.

Die Quartalszahlen von Intel und Apple wurden positiv aufgenommen. Apple konnte seinen ersten Platz als wertvollstes Unternehmen der Welt mit einem Börsen­wert von rund 2,4 Billionen Dollar verteidigen. Intel er­holte sich wenigstens etwas von dem tiefsten Wert seit 2014. Mit dem Unterhaltungskonzern Walt Disney ent­täuschte aber ein weiterer großer Konzern die Anleger. Die Aktie fiel auf den tiefsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Unter dem Strich entwickelten sich die US-Standardwerteindizes Dow Jones Industrial Average und S&P-500 wieder besser als die von Technologie­werten geprägten Nasdaq-Indizes.

Der populäre Dow Jones Industrial Average Index in New York stieg von seinem Jahrestief im Oktober bis Ende November um gut 20 Prozent und beendete das Quartal schließlich mit einem Plus von 15,4 Prozent bei 33.147 Zählern. Der S&P-500 schaffte ein Plus von 7,1 Prozent, während der Nasdaq Composite Index 1,0 Prozent verlor. Einmal mehr war es die Aussicht auf höhere Zinsen, die die Technologie-Aktien belastete. Die relative Stärke der Biotech-Aktien setzte sich da­gegen fort. Der Nasdaq Biotech-Index verzeichnete im vierten Quartal ein Plus von 11,8 Prozent.

Auch die europäischen Aktienmärkte erholten sich im Oktober und November. So kletterte der Euro-STOXX-50 bis in die Nähe der 4.000-Punkte-Marke und damit auf das höchste Kursniveau seit April. Ähn­lich gut entwickelte sich der DAX, der erstmals seit An­fang Juni wieder 14.500 Zähler erreichte. Im Dezem­ber wollte sich die Kurserholung nicht als Jahresend­rallye fortsetzen. Die Aussicht auf höhere Zinsen bei gleichzeitig schwächerer Wirtschaft drückte den Euro-STOXX-50 wieder auf rund 3.800 Punkte. Der Jahres­endstand von 3.793,6 Zählern bedeutet für das vierte Quartal ein Plus von 14,3 Prozent.

Auch der DAX gab im Dezember einen Teil seiner Kursgewinne wieder ab, beendete das vierte Quartal aber mit einem Zuwachs von 14,9 Prozent. Noch bes­ser schnitten im Schlussquartal die europäischen Akti­enmärkte ab, die zuvor mehr gelitten hatten. So stieg der österreichische ATX-Index um 16,1 Prozent und der CECE-Index für Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sogar um 26,3 Prozent. Die Zuwächse an den beiden größten Nicht-Euro-Börsen Westeuropas blieben dagegen kleiner. Der britische Leitindex FTSE-100 gewann im vierten Quartal 8,1 Prozent und der schweizerische SMI nur 4,5 Prozent. Somit blieb das Plus beim paneuropäischen STOXX-50-Index mit 9,6 Prozent unter dem des Euro-Zonen-Leitindex Euro-STOXX-50 (14,3 Prozent).

An den asiatischen Aktienmärkten war die Entwick­lung noch uneinheitlicher. An der Börse Tokio überwo­gen zwar die Kursgewinne. Das Zinssignal der japani­schen Notenbank belastete aber, sodass der Nikkei-225-Index am Jahresende mit 26.095 Punkten nur 0,6 Prozent höher steht als drei Monate zuvor. Der für den Markt repräsentativere Topix Index gewann passable 3,0 Prozent.

 

Weitaus turbulenter war die Kursentwicklung an den chinesischen Aktienmärkten. In Hongkong fiel der Hang Seng Index zunächst auf den tiefsten Stand seit der Finanzkrise im Jahr 2008. Die fortschreitende Um­wandlung Chinas von einer Diktatur der Kommunisti­schen Partei zu einer Ein-Mann-Diktatur von Präsident Xi Jingping beschleunigte den Rückzug internationaler Investoren, zumal der Umgang mit der Corona-Pande­mie die Wirtschaft belastete. Im November begann ei­ne Kurserholung, die sich darauf stützte, dass Peking seine strenge Null-Covid-Politik lockern müsse. In offe­nen Protestkundgebungen wurde die zunehmende Un­zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Regime und seiner Corona-Politik deutlich.

Als Peking daraufhin seine Null-Covid-Politik lockerte, führte dies prompt zu einem starken Anstieg der Infek­tions- und Todesfälle. Was die Kursentwicklung an­geht, erholte sich die Börse in Hongkong vor allem im November so deutlich, dass sich für das Quartal ein Zuwachs von 14,9 Prozent beim Hang Seng Index und von 13,6 Prozent bei Hang Seng China Enterprise (HSCE) Index ergibt. Beide Indizes waren im dritten Quartal um mehr als 20 Prozent gefallen.

Differenziert blieb die Kursentwicklung an den Aktien­märkten Lateinamerikas. Die im dritten Quartal stär­kere brasilianische Börse in Sao Paulo blieb hinter der zuvor gefallenen mexikanischen Börse zurück. Der brasilianische Bovespa-Index beendete das vierte Quartal nahezu unverändert, während der mexikani­sche IPC Index 9,8 Prozent gewann.

Die Aktienkurse der Goldminenbetreiber profitierten vom steigenden Goldpreis. Der FT Goldmines Bran­chenindex verzeichnet im vierten Quartal einen Anstieg von 20,2 Prozent.

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