Bericht für das 4. Quartal 2023

achdem die Börsen in den ersten drei Quartalen des Jahres unter dem Zinsanstieg zu leiden hatten, gaben ab Mitte Oktober fallende Zinsen den Kapitalmärkten Auftrieb, sodass das Börsenjahr 2023 besser ausfiel als die meisten Marktbeobachter erwartet hatten.

Konjunktur, Inflation und Leitzinsen

In der ersten Oktoberhälfte drückte die Aussicht auf „hö­here Zinsen für längere Zeit“ („higher for longer“) auf die Stimmung an den Börsen. Die Nachricht vom barbari­schen Hamas-Angriff auf Israel löste Ängste vor einer Eskalation des Nahost-Konfliktes aus und ließ kurzfristig den Ölpreis steigen. Die befürchteten Auswirkungen auf die Weltwirtschaft blieben begrenzt. So zeigte sich die Konjunktur insbesondere in den USA weiter robust, während die konjunkturelle Entwicklung in Europa und China die schon zuvor sichtbaren Schwächen wider­spiegelte. In den großen Volkswirtschaften sank die In­flationsrate weiter, für November in den USA auf 3,1 Prozent und in der Eurozone auf 2,4 Prozent.

Obwohl im Gesamtjahr 2023 die Zahl von Leitzinserhö­hungen durch Zentralbanken doppelt so hoch war wie die Zahl von Leitzinssenkungen (160 zu 81), überwogen im vierten Quartal bereits die Zinssenkungen (14 Zins­erhöhungen gegenüber 34 Zinssenkungen). Die wich­tigsten Zentralbanken, die US-Notenbank Federal Re­serve (Fed), die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England (BoE) und die Bank of Japan (BoJ) be­ließen ihre Leitzinsen unverändert. Die Fed hatte am 26. Juli ihre letzte Zinserhöhung verkündet. Damals war die Bandbreite für die Funds Rate auf 5,25 bis 5,5 Pro­zent angehoben worden. Dies ist das höchste Niveau seit dem Frühjahr 2001.

Die EZB hatte ihren Zinsschritt am 14. September vor­genommen, als sie den Hautrefinanzierungssatz auf 4,5 Prozent erhöht hatte. Die Einlagefazilität, also der Zins, den Geschäftsbanken für Guthaben bei der Zentralbank halten, blieb seitdem bei 4,0 Prozent, dem höchsten Ni­veau seit der Euro-Einführung Anfang 1999. Zinssen­kungen gab es im Berichtszeitraum vor allem in la­teinamerikanischen Ländern, etwa in Brasilien, sowie in Zentraleuropa wie in Polen und Ungarn. Dagegen mussten unter anderem die Türkei und Russland den anhaltenden Kaufkraft- und Wertverlust ihrer Währun­gen mit weiteren Leitzinserhöhungen bekämpfen.

Renten, Währungen und Rohstoffe

An den Rentenmärkten herrschten zunächst noch Sor­gen um die rasch steigenden Staatsschulden. Den USA drohte aufgrund des Haushaltsstreits vorüberge­hend wieder ein Regierungsstillstand. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen berührte Mitte Oktober erstmals seit 2007 die Fünf-Prozent-Marke. Italienische Staatstitel mit derselben Laufzeit stiegen sogar über diese Marke – das höchste Niveau seit mehr als zehn Jahren. Deutsche Bundesanleihen rentierten bei zehn Jahren Laufzeit erstmals wieder nahe der Drei-Prozent-Marke. Dann setzte sich an den Kapitalmärkten die Überzeugung durch, dass auf die „Zinspause“ der gro­ßen Notenbanken Zinssenkungen im nächsten Jahr fol­gen werden.

Die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen sank bis auf 3,8 Prozent und beendete das Jahr schließlich nur knapp darüber bei 3,87 Prozent, was für das Quar­tal einen Zinsrückgang um 68 Basispunkte (also 0,68 Prozentpunkte) bedeutet. Die entsprechende Rendite deutscher Bundesanleihen entfernte sich wieder von der Drei-Prozent-Marke nach unten und beendete das Quartal mit einem Rückgang um 83 Basispunkte bei 2,02 Prozent. Der Bund-Future, der die Kursentwicklung deutscher Bundesanleihen an der Terminbörse angibt, stieg im vierten Quartal um 6,8 Prozent auf 137,2 Punk­te.

An den Devisenmärkten hatte der US-Dollar bis An­fang Oktober von der Erwartung weiterer Leitzinsanhe­bungen in den USA profitiert. Dies hatte dem Euro einen Abwärtstrend bis 1,045 US-Dollar beschert. Im vierten Quartal kehrte sich diese Entwicklung um. Als ein Be­lastungsfaktor für die Weltleitwährung wurde die hohe Staatsverschuldung der USA angeführt, die wegen der gestiegenen Zinsen zunehmend schwieriger zu finan­zieren sein dürfte. Wenn zudem auch die Europäische Zentralbank (EZB) 2024 ihre Zinsen anheben würde, wäre der Zinsvorteil der amerikanischen Währung nicht so groß wie zuvor angenommen. Bis kurz vor dem Jah­resende erholte sich der Euro bis auf 1,114 US-Dollar. Ein Wechselkurs von 1,104 US-Dollar pro Euro am Jah­resende bedeutet für das vierte Quartal einen Rückgang des Dollars gegen Euro um 4,4 Prozent.

Gegen japanischen Yen verlor die US-Währung sogar 5,5 Prozent auf 141 Yen pro US-Dollar, gegen den chi­nesischen Renminbi nur 2,9 Prozent auf 7,08 Yuan. Der türkischen Notenbank gelang es nicht, den Wertverfall ihrer Währung zu stoppen. Die türkische Lira verlor ge­gen Euro im vierten Quartal rund 12 Prozent an Wert.

Eine Kursrallye erlebten die meisten Kryptowährungen unter der Führung des Bitcoins. Das Umfeld aus stei­gender Staatsverschuldung, fallenden Zinsen und geopolitischen Sorgen mag den Boden für den Anstieg bereitet haben. Treiber waren aber Meldungen, wonach in den USA die Zulassung eines Bitcoin Spot ETFs nach dem Jahreswechsel bevorstehe. Davon werden erhöhte Akzeptanz und steigende Nachfrage nach Digitalwäh­rungen erwartet. Der Wechselkurs des Bitcoins stieg im Verlauf des vierten Quartals um 57 Prozent auf rund 42.500 US-Dollar – den höchsten Stand seit April 2022. Andere Kryptowährungen zeigten sich im Kielwasser dieser Entwicklung prozentual noch stärker erholt. Vor allem Solana, das damit in den Kreis der fünf wertvolls­ten Blockchain-Projekte aufstieg und Ripple auf den sechsten Platz verdrängte.

An den Rohstoffmärkten ließen Ängste vor einer Eska­lation des Nahost-Konfliktes im Oktober kurzfristig den Öl- und den Goldpreis steigen. Schon im September war der Ölpreis auf Jahreshochs von über 90 US-Dollar pro Barrel gestiegen. Ein Gegenbewegung Anfang Ok­tober bis unter 85 US-Dollar endete abrupt mit dem Ter­rorangriff der Hamas auf Israel und der Ölpreis kehrte in die Nähe seiner Jahreshochs bei rund 95 US-Dollar zu­rück. Als die Ängste vor einer möglichen Eskalation klei­ner wurden, sank der Ölpreis im Verlauf des Quartals unter 80 US-Dollar pro Barrel. Öl der amerikanischen Sorte WTI kostete am Jahresende 71,80 US-Dollar, 19 Prozent weniger als drei Monate zuvor. Öl der europäi­schen Sorte Brent notierte am Jahresende bei gut 77 US-Dollar pro Barrel, 16 Prozent weniger als Ende Sep­tember.

In der Folge verzeichnete der Bloomberg Commodity In­dex, in dem Öl ein hohes Gewicht hat, im Berichtszeit­raum einen Rückgang um 5,9 Prozent. Auch der Gold­preis reagierte mit einem Anstieg auf den Hamas-Terror. Ähnlich wie im März stieg der Goldpreis von kaum mehr als 1.800 US-Dollar binnen zwei Wochen bis an die Marke von 2.000 US-Dollar. Anders als beim Öl setzte sich der Preisanstieg im November fort. Anfang Dezem­ber erreichte Gold mit vorübergehend 2.146 US-Dollar pro Unze einen neuen Rekordwert. Mit 2.062 US-Dollar am Jahresende verteuerte sich eine Unze Gold im vier­ten Quartal um 11,6 Prozent. Aufgrund des stärkeren Euros fällt der Gewinn in Euro gerechnet mit einem Plus von 6,9 Prozent auf 1.869 Euro geringer aus.

Aktienmärkte

Die als Leitbörsen geltenden US-Aktienmärkte entfern­ten sich im Oktober zunächst weiter von den Ende Juli markierten Hochs. Mit Spannung wurden die Quartals­ergebnisse der „Glorreichen Sieben“ erwartet, weil die sieben großen US-Technologiekonzerne inzwischen in den wichtigsten Aktienindizes und vielen Anlegerportfoli­os ein hohes Gewicht haben. Während Microsoft und Amazon mit ihren Quartalsergebnissen überzeugen konnten, wurden die Verlautbarungen von Alphabet und Meta mit etwas Enttäuschung aufgenommen, was eine höhere Volatilität der Technologieaktien zur Folge hatte.

Der Aktienkurs von Tesla, der im Oktober mehr als ein Viertel seines Wertes verloren hatte, holte über die Hälf­te dieses Rückgangs wieder auf. Die Apple-Aktie, die seit August von ihrem Rekordhoch rund 15 Prozent ein­gebüßt hatte, erreichte im Dezember sogar ein neues Allzeit-Hoch. Die mit Spannung erwarteten Quartalser­gebnisse des KI-Chip-Herstellers Nvidia fielen sehr gut aus, wurden aber aufgrund des durch die Technologie­exportbeschränkungen nach China vorsichtigen Aus­blicks nicht euphorisch aufgenommen. Getragen von der Erwartung mehrerer Leitzinssenkungen im Jahr 2024 erlebte die Wallstreet in den beiden letzten Mona­ten eine Jahresendrallye. Der populäre Dow Jones In­dustrial Average, der noch im Oktober gegenüber dem Jahresbeginn leicht im Minus gelegen hatte, kletterte erstmals in seiner Geschichte auf über 37.000 Punkte und beendete das Jahr mit einem neuen Rekordstand bei 37.689,5 Zählern – ein Anstieg im vierten Quartal von 12,5 Prozent. Der als repräsentativer geltende S&P-500-Index näherte sich seinem alten Rekord bis auf wenige Punkte und beendete das Quartal mit einem Plus von 11,2 Prozent bei 4.769,8 Zählern.

Etwas stärker zeigte sich der Nasdaq-100-Index, der noch intensiver von den großen US-Technologieaktien dominiert wird. Er gewann im Berichtszeitraum 13,6 Prozent und kam auf 16.826 Punkte. Auch Marktseg­mente, die sich zuvor auffallend schwach entwickelt hat­ten, erholten sich im vierten Quartal. So drehte der US-Nebenwerteindex Russell-2000 nach seinem Jahrestief Ende Oktober nach oben und beendete das Quartal mit einem Anstieg von 13,6 Prozent und der Nasdaq Bio­tech-Index verzeichnete immerhin ein Plus von 10,5 Prozent.

Auch die europäischen Aktienmärkte drehten nach ei­nem schwachen Oktober in den beiden letzten Monaten des Jahres nach oben. Ohne die anhaltende Talfahrt des DAX-Wertes Bayer wäre insbesondere die Bilanz des DAX noch besser ausgefallen. Aber im November fiel die Aktie des Pharma- und Agrarchemiekonzerns angesichts anhaltender Belastungen durch Glyphosat-Schadensersatzurteile in den USA und einer gescheiter­ten Medikamentenentwicklung auf den tiefsten Stand seit 2006.

Das konnte die Jahresendrallye aber auch hierzulande nicht verhindern. Der Euro-STOXX-50, der im Oktober bis auf rund 4.000 Zähler zurückgefallen war, stieg bis zum Jahresende auf 4.521,7 Punkte – ein Anstieg von 8,3 Prozent im vierten Quartal. Den Deutschen Aktienin­dex (DAX) führte die Rallye Mitte Dezember kurzzeitig auf über 17.000 Punkte. Mit 17.003,28 Zählern wurde ein neuer Rekordstand markiert. Der DAX beendete das Jahr bei 16.751,6 Punkten, was für das vierte Quartal ein Plus von 8,9 Prozent bedeutet. Höhere Kursgewinne verzeichneten einige kleinere europäische Aktienmärk­te, darunter Polen, wo die Wahl des proeuropäischen Politikers Donald Tusk die rechtsnationale Regierung ablöste, was die Börsen mit Kursgewinnen quittierten. Der CECE-Index für die zentraleuropäischen Aktien­märkte stieg im vierten Quartal um 19,9 Prozent.

Der japanische Aktienmarkt setzte im Schlussquartal die seit Mitte des Jahres gezeigte Seitwärtsbewegung fort. Der Nikkei-225-Index konnte nicht über 33.750 Zähler steigen und schloss das Jahr mit 33.464 Punkten ab. Für das vierte Quartal bedeutet dies einen Anstieg um 5,0 Prozent. Der repräsentativere Topix kam dage­gen nur auf ein Plus von 1,9 Prozent. Die japanische Notenbank stemmte sich weiterhin gegen höhere Zin­sen und kaufte Staatsanleihen auf. Japan ist das einzi­ge Land unter den Industrieländern, in dem die Anleihe­renditen unter der Inflationsrate liegen, was einen nega­tiven Realzins bedeutet. Gleichzeitig zeigte die japani­sche Volkswirtschaft Anzeichen für eine rückläufige wirt­schaftliche Aktivität. Nicht wenige Beobachter erwarten für 2024 eine bessere Entwicklung.

Entgegen dem internationalen Trend blieb die Entwick­lung der chinesischen Aktienmärkte schlecht. Die meisten chinesischen Aktienindizes stehen tiefer als auf dem Tiefpunkt der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. In Hongkong unterschritt der Hang Seng Index zeitwei­lig die Marke von 16.000 Punkten und beendete das Quartal mit einem Minus von 4,3 Prozent bei 17.047 Zählern. Hintergrund ist ein weitreichender Vertrauens­verlust in das Regime in Peking und seine Fähigkeit, die wirtschaftlichen Probleme im „Reich der Mitte“ zu be­wältigen. Vor allem auf den chinesischen Immobilien­märkten gibt es Schieflagen und Konkurse.

Die Aktienmärkte Lateinamerikas schlossen sich da­gegen dem internationalen Aufwärtstrend an. Nach ei­ner Konsolidierung der brasilianischen Börse im dritten Quartal ging es mit dem Bovespa Index im Abschluss­quartal um 15,4 Prozent aufwärts. Der mexikanische IPC Index verzeichnete für den gleichen Zeitraum einen Anstieg um 11,2 Prozent.

Die Aktienkurse der Goldminenbetreiber profitierten erwartungsgemäß überproportional vom Anstieg des Goldpreises. Der FT Goldmines Branchenindex konnte im vierten Quartal einen Gewinn in Höhe von 1,2 Pro­zent erzielen.

Bericht als PDF downloaden